hallo Forumskollegen,

anbei ein paar Bilder von meinem letzten 'Projekt': Ein Philips Premiere 61, Baujahr ´60, den mir ein netter Bekannter geschenkt hat. Diesmal habe ich, teils wegen eigenem Verschulden, besonders viel Aufwand in die Holzarbeiten investiert. Speziell das Furnieren habe ich zum ersten Mal gemacht, von einem professionellen Ergebnis kann jedenfalls keine Rede sein! Aber ich wollte Euch trotzdem gern teilhaben lassen.

Das Gerät im ursprünglichen Zustand.

Alles schön komplett und (noch) unverbastelt ...

...und viel Staub...

..darunter noch stellenweise eine klebrige Masse suspekter Herkunft.

Ich konnte es mir wider besseren Wissens (Ihr habt mir ja abgeraten) wieder nicht verkneifen, mit dem Kärcher auf das Chassis loszugehen.

Letztlich hat das aber nicht geschadet. Nur den Wickelkondensatoren, aber die waren sowieso 'fällig'.

Hier das gereinigte Chassis mit ein paar neuen Kondensatoren (Wickel und Elkos) und Kukident - gepflegten Knöpfen.Hat zum Glück auf Anhieb gespielt.

Ich bin übrigens schnell davon abgekommen, die alten Kondensatoren auszulöten. Bei diesen Versuchen hat sich immer die Kupferschicht von der Platine gelöst. Um keine Haarrisse zu riskieren, habe ich dann die Anschlussdrähte auf der Oberseite abgezwickt und mit den neuen Bauteilen verlötet. Sieht zugegeben gepfuscht aus, ist aber um Vieles zuverlässiger!

Der Drahtzug links unten im Bild war abgerissen (vermutlich war ich das sogar selbst). Ich konnte ihn nur durch Skalenseil ersetzen. Schwer zu justieren, wenn man an die Einstellschraube nicht rankommt - deshalb der 'Korrekturknopf'.

kleine Rückblende auf die Reinigung: Zahnhygiene mittels Polierpaste.

Im rechten grossen Drehknopf hatte die Messing-Einlage gefehlt. Als Ersatz musste eine Münze von der letzten Urlaubsreise dran glauben. Um sie bearbeiten zu können, habe ich sie vorübergehend auf ein Stück Messingrohr aufgelötet, das sich dann in die Bohrmaschine einspannen liess.

Namens - und Datumsstempel im Gehäuse.

Zum Entlacken hat sich mein Provisorium, die Tapetenmesserklinge mit Gripzange als Griff, viel besser bewährt als die 'richtige' Ziehklinge! Obwohl die gar nicht so billig war.

Mit dem Tapetenmesser kommt der Lack ohne Kratzer als feine weisse Flocken runter, die sichtbaren dünnen Kratzer stammen alle von der Ziehklinge.

Nach dem Schleifen sieht das Gehäuse schon ganz passabel aus. Der Fleck rechts im Bild hat sich als Leimdurchschlag entpuppt, der beim Schleifen immer grösser wurde. Der Tellerschleifer neigt dazu, an den Kanten zu viel abzutragen, man muss extrem aufpassen.

Der Farbenhändler (das war der, bei dem ich auch die Ziehklinge gekauft hatte) empfahl mir einen Acryllack. Also habe ich den verwendet, obwohl mich diese Empfehlung etwas erstaunt hat.

Hier die erste Schicht - soweit in Ordnung. Dann habe ich einen Zwischenschliff gemacht und -sicher ein Fehler - eine dicke 'Deckschichte' versucht. Die ist aber katastrophal schlecht verlaufen, es haben sich unter Anderem scheinbar spontan zentimetergrosse runde 'Krater' gebildet. Nach einigen Reparaturversuchen und Wiederholungen hatte ich dann auch noch das Furnier kaputtgeschliffen und war einigermassen sauer.

Letztlich habe ich den Lack komplett abgeschliffen und mir neues Furnier, Heissleim und eine Menge guter Tipps besorgt.

Der Heissleim wird in Wasser aufgeweicht und zum Verarbeiten erwärmt. Dieser seit Jahrhunderten hergestellte Leim hat verblüffende Eigenschaften: Wasserlöslich, thermoplastisch, dauerelastisch, klebt hervorragend und lässt sich mit Wärme auch wieder lösen. Wenn man das Wasser richtig dosiert hat, sind Klebeverbindungen sofort nach dem Erkalten fest.

Ein kleiner Nachteil soll aber auch nicht verschwiegen werden: Das Zeug stinkt höllisch. Ich habe mir beim Arbeiten immer meine Gasmaske mit Kohlefilter aufgesetzt und versucht, nicht an die Tierkadaver zu denken, aus denen dieser Leim nun einmal hergestellt wird.

Die Furnierstreifen habe ich etwas grösser zugeschnitten (hier die Anprobe noch ohne Leim). Der Leim wird dann satt aufgetragen und das Furnier mit einem erwärmten 'Furnierhammer' (ich habe ersatzweise einen Steckschlüsselgriff verwendet) und Heissluft aufgebügelt.

Die überstehenden Kanten habe ich mit der Trennscheibe getrimmt und dann vorsichtig bündig geschliffen.

Das Auftragen vom Leim war für mich das Schwierigste. Man muss eine möglichst gleichmässige Schicht hinbekommen, die dann auch noch die richtige Temperatur und die richtige Feuchtigkeit fürs Verkleben hat. Und wenn man versehentlich ein zweites Mal über dieselbe Stelle drüberpinselt, zerreisst die Haut, die sich darauf gebildet hat und die Oberfläche wird bröckelig.

Eine einzelne Fläche aufzuleimen und zuzuschleifen, egal wie klein, hat mich meist eine Sitzung (ein paar Stunden) gekostet. Hier bin ich schon recht weit.

Beim Beizen hat sich herausgestellt, dass sich Spuren vom Leim in der Furnieroberfläche knallrot verfärben (hier sieht man sowas noch nicht). Meine Übermalungen mit Wasserfarbe waren nach dem Lackieren leider noch mehr sichtbar.

Diesmal habe ich es mit Kunstharzlack versucht. Um nicht in die Oberfläche hineinzuschleifen, habe ich erst einmal, wie Ihr mir neulich geraten habt, ohne Zwischenschliff mehrere (acht) dünne Schichten aufgetragen.

Jetzt, vor dem Schleifen, sieht der Lack ein wenig aus wie eine vereiste Windschutzscheibe. Die Flecken in der Beize scheinen sich durch Unregelmässigkeiten im Holz zu ergeben. Sie ändern ihr Muster mit der Betrachtungsrichtung und man kann sie direkt nett finden.

Beim Schleifen muss man beherzt bis in die 'Wellentäler' vom Lack hinunterschleifen. Der Deltaschleifer geht mit den Kanten viel schonender um, die Investition von € 15.- hat sich gelohnt.

Nach dem Nass-Schleifen von Hand habe ich noch eine letzte dünne Lackschicht mit der Spraydose aufgetragen, und dann poliert.

Oops - ich habe doch glatt auf die Zierleiste in der Mittelsprosse vergessen! Die hätte mit 'eingebaut' gehört.

Konsequenterweise habe ich dann auch darauf verzichtet, die unansehlich gewordenen Goldränder um die Skalenscheibe wieder zu montieren. Die waren aus Plastik und nicht mehr schön zu bekommen.

Das Leuchtfenster links gehört zum Balance-Regler. Das Gerät hat einen Mono-Tuner, aber zwei getrennte Endstufen (mit je einer EL84).

Der Klang ist bei diesem Radio leider schauerlich. Es hat nur einen Lautsprecher pro Kanal, und die Höhenwiedergabe ist trotz aufgesetztem Hochton-Konus sehr schwach. Da scheint man ein wenig zu sehr gespart zu haben. Erstaunlich, das ist ja doch ein grosses und schweres Gerät mit extra vielen Knöpfen und Spielereien.

Mit externen Lautsprechern ist der Klang aber in Ordnung.

Bei den Schepper-und Rasselgeräuschen hoffe ich ja, dass ich sie noch lokalisieren und beseitigen kann. Dann plane ich noch kleine flache Hochtöner als Zusatzlautsprecher anzustecken und sie - ohne Bohren, versteht sich - auf der Unterseite des hochbeinigen Geräts zu verstecken. Wunder wird das aber kaum bringen.

Zum Abschluss noch ein morbides Stilleben: Die 'ausrangierten' Bauteile.

beste Grüsse

Richard